"Captain, hier Officer Skye. Ich bin im Treibhaus
auf zwei der Rebellen gestoßen. Einer von ihnen ist Santiago. Bitte
um Anweisungen."
Deirdres Stimme auf dem Notruf-Band irritierte Garland. In diesem Moment
öffnete sich die Luke zur Kommandozentrale und eine Gestalt trat in
den Raum, die für einen kurzen Augenblick sämtliche Aktivitäten
zum Erliegen brachte.
"Dr. Yang", sagte er, als Sheng-ji Yang in das Licht der Kommandozentrale
trat. "Eigentlich würde ich jetzt fragen, wo Sie waren, doch im Moment
haben wir ein anderes Problem. Hören Sie genau zu."
Captain Garland wählte bereits den Antwort-Kanal, als Yang an ihn herantrat.
"Deirdre, bitte kommen. Sind Sie in Gefahr? Kann Santiago uns hören?"
"Ich kann sie hören und möglicherweise ist sie in großer
Gefahr, Captain", antwortete Santiago. "Ihre Botaniker scheinen nicht darauf
vorbereitet zu sein, bewaffnete Einheiten in Schach zu halten". Ihre Stimme
klang kalt und klar, beinahe erfrischend. "Ich würde es wirklich sehr
begrüßen, wenn Sie freundlicherweise diese Luke entriegeln
könnten."
"Das ist nicht ganz einfach", entgegnete Garland ruhig. Yang nickte, eine
geschickte Lüge. "Wir haben den Befehl zur Verriegelung unter Zwang
erteilt. Es wird einige Zeit dauern, bis wir den Zugangscode entschlüsselt
haben."
"Ich glaube Ihnen kein Wort. Wie dem auch sei, ich empfehle Ihnen wirklich
dringend, diese Luke zu öffnen. Wie ist mir egal. Ich muß sicher
nicht erwähnen, daß ich Geiseln habe."
"Warum, Santiago?" Yangs Stimme, deutlich und sanft, erfüllte den Raum
wie eine Windhauch. Nach einer kurzen atemlosen Stille
"Dr. Yang."
"Ja. Ihre Verhandlungsgrundlage."
"Habe Sie nie als solche gesehen. Eher als gefährlichen Gegner, eine
Bedrohung, die ich sehr ernst nehme." Yangs Gesicht zeigte keinerlei Regung,
er überlegte. "Allerdings schmerzt es zu hören, daß Sie entkommen
konnten. Sie hätten sich uns anschließen können."
"Wer sind Sie?"
"Eine Gruppe von Menschen, die überzeugt ist, daß die Menschheit
unweigerlich untergehen wird, wenn sie nicht von disziplinierten Führern
mit einem unerschütterlichen Überlebenswillen geführt wird.
Jemand, der wie Sie an drastische Maßnahmen glaubt, ist für die
Sicherung des Fortbestandes der Menschheit unentbehrlich."
"Das reicht jetzt" fiel Garland ihr ins Wort. "Santiago, können wir
Sie hierher in die Kommandozentrale bringen lassen, um alles weitere zu
besprechen? Wir wünschen uns alle ein sicheres Ende dieser Reise."
"Öffnen Sie die Luke und ich komme zu Ihnen."
"Übergeben Sie zunächst Ihre Waffen an Officer Skye."
"Unmöglich." Dieses eine Wort, einfach und direkt, berührte Garland
auf seltsame Weise. Sie weiß genau, was sie will, erkannte er. Ihre
Strategie ist unerschütterlich und ihr ist klar, daß die Würfel
gefallen sind.
"Öffnen Sie die Luke, Captain. Ich möchte unnötiges
Blutvergießen vermeiden. Mein Wort darauf."
"Das Wort eines Verräters", zischte Yang. Zum ersten Mal brach seine
Verärgerung aus ihm heraus.
"Für Sie mag ich ein Verräter sein, doch ich versuche nur, meine
Anhänger zu schützen. Wenn das Schiff nicht dazu in der Lage ist,
wovon ich übrigens überzeugt bin
" Garland starrte Zakharov
an, der über seine Konsole vertieft war, "
wir, die wir unseren
Überlebenswillen bewiesen haben, fordern, in dem Teil des Schiffes zu
sein, das den Planeten erreichen wird."
"Warten Sie an der Luke", sagte Garland, bevor er die Verbindung abbrach.
Er ließ seinen Blick durch die Kommandozentrale schweifen
auf
Yang, dessen Augen düster auf die Kommunikationsverbindung starrten,
auf Zakharov, der sich nun umdrehte. Sein Gesicht war fahl, das Kinn bebte.
"Skye ist in Gefahr. Wir müssen diese Luke öffnen. Die Zeit wird
knapp, Vorschläge, schnell."
"Sie sind der Captain" erwiderte Yang.
"Dann bewegen Sie sich verdammt nochmal an Ihre Konsole, Dr. Yang und teilen
Sie Ihr Wissen mit uns. Sie haben Santiago getroffen...wie ist die Situation?"
"Ja, hat sie irgendwelche Schäden davongetragen?" war Miriams Stimme
sanft zu hören.
Dr. Yang achtete nicht auf sie, sondern trat an den ovalen Tisch in der Mitte
der Brücke heran und setzte sich. Er nahm einen Stift zur Hand und begann
auf der Tischplatte Aufzeichnungen zu machen. Jede seiner Bewegungen wurde
dabei automatisch aufgezeichnet und gespeichert.
"Santiago ist sehr diszipliniert und kontrolliert ihre Anhänger
vollständig. Sie sind alle bewaffnet."
In diesem Moment leuchtete eine Kommandoleuchte auf. Alle Blicke richteten
sich auf den Captain, der wiederum Dr. Yang fixierte. "Dr. Yang, unsere
Entscheidung. Schnell."
"Entriegeln Sie die Tür und überlassen Sie Santiago das Treibhaus
und die Kältedecks. Dann verhandeln Sie."
"Können wir ihr ein Vorratsdeck ausliefern und ihr und ihren Leuten
sicheres Geleit auf den Planeten geben?" fragte Lal.
"Nur wenn es auf ihrer Seite verriegelt wäre. Sie will Sicherheit",
erklärte Yang.
"Aber sie schätzt Ehre", gab Garland zu bedenken. "Wir könnten
ihr freies Geleit versprechen, ihr unser Wort geben."
Yang lächelte grimmig. "Vielleicht. Möglichkeit 2 ... Schicken
Sie eine Kampfeinheit los und neutralisieren Sie ihre Anhänger. Allerdings
muß alles sehr schnell gehen, wenn wir Skye und ihre Mitarbeiter retten
wollen."
"Und woher sollen wir die Kampfeinheit zaubern?" fragte Zakharov. "Meine
Männer sind zwar bewaffnet aber nicht ausgebildet. Wir müssen sie
..."
"Nur ein Teil der Sicherheitskräfte wurde bereits aufgeweckt", warf
Garland ein. "Es würde Tage dauern, weitere Einheiten aufzutauen und
in Kampfbereitschaft zu versetzen."
"Zeit, die wir nicht haben" entgegnete Yang. "Doch es gibt immer noch
Möglichkeit 3.... das Treibhaus bleibt geschlossen und wir schalten
die Sauerstoffzufuhr ab. Der Tod Santiagos wird ihre Anhänger
demoralisieren."
"Skye und die übrigen würden ebenfalls sterben!" brauste Miriam
auf und Garland fühlte ihren Magnetismus, ihre Eindringlichkeit.
"Sie wollten Vorschläge ...es ist eine Möglichkeit. Leider ist
es gleichzeitig die einzige Chance, Santiago definitiv zu neutralisieren."
"Und wenn wir abwarten, bis sie bewußtlos sind und dann zuschlagen?"
fragte Lal, der wie immer um einen Mittelweg bemüht war.
"Laut unseres Überwachungssystems warten Santiagos Leute außerhalb
des Treibhauses. Außerdem müßte unser Timing perfekt sein
und Skye wird vermutlich vor Santiago bewußtlos. Wir müssen
sichergehen ... geben Sie ihr, was sie will, greifen Sie sie an oder drehen
Sie ihr die Luft ab. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht."
"Captain" drängte Zakharov. "Meine Techniker melden, daß der
Fusionsantrieb wieder funktioniert. Wir dürfen nicht länger warten."
"Starten Sie die Triebwerke", befahl Garland. "Ich werde versuchen, Santiago
hinzuhalten."
"Warten Sie", unterbrach Yang Garland. "Kontaktieren Sie sie nicht. Das ist
eine weitere Möglichkeit."
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