Morgan senkte die Hände und ließ
die Eskorte die organischen Fesseln von seinen Handgelenken entfernen. Die
Fesseln fielen zu Boden und verhärteten sich zu einer harten Masse.
Morgan rieb sich die kräftigen Handgelenke und sah sich mit einem
amüsierten Gesichtsausdruck in der Kommandozentrale um.
"Danke, Captain. Ich versichere Ihnen, daß ich meine Freiheit zu
schätzen weiß."
"Ihre Versicherungen in Ehren, Mr. Morgan, aber auch das Psycho-Profil, das
uns über Sie vorliegt, ist sehr hilfreich. Wie dem auch sei, für
den Anfang müssen wir Sie in den Quartieren unter Arrest stellen."
"Sehr gut", entgegnete Morgan kurz angebunden.
"Sind Sie darüber verärgert?", Garland drehte sich um, um ihn
anzusehen.
"Es ist schwer, mich zu verärgern, Captain. Ein Geschäftsmann kann
nicht erfolgreich sein, wenn er sich von seinen Gefühlen leiten
läßt. Allerdings bin ich eine bevorzugte Behandlung gewohnt."
Morgan schüttelte den Kopf. "Machen Sie sich keine Gedanken. Das hier
ist eben eine andere Welt."
"Ja. Die Sie bereits betreten haben, als Sie ohne Erlaubnis dieses Schiff
bestiegen." Morgan holte tief Luft, als wollte er etwas entgegnen, dann begann
er allerdings plötzlich zu lächeln und hob eine seiner kräftigen
Hände.
"Schon gut."
"Wegtreten." Captain Garland drehte sich um und blickte für einen Moment
auf sein Sensorfeld. Er wählte eine Außenkamera an und paßte
den Blickwinkel seinen Vorstellungen an, dann starrte er kurz auf den Bildschirm.
Hinter ihm zögerte Morgan und versuchte einen letzten Blick zu erhaschen,
bevor ihn die Eskorte zur Ausgangsluke führte.
"Der Planet", sagte Captain Garland ruhig. Auf dem Bildschirm erstrahlte
das gelobte Land in einer farbenfrohen Sphäre aus Gold-, Blau- und
Orangetönen. Wolken trieben in einer erdähnlichen Atmosphäre,
die sich nur durch das Gasgemisch von dieser unterschied. Und natürlich
durch fremde Lebensformen, die sich unter den Wolken verbargen. Er rief Zakharov
zu sich, ohne das Bild aus den Augen zu lassen. "Prokhor, sind Sie bereit,
den Fusionsantrieb zu reaktivieren?"
"Ja, Captain", meldete Prokhor. Er klang seltsam gedämpft. "Wir haben
ohnehin keine Wahl. Die Zeit drängt."
Garland blickte auf. "Aber Sie sind trotzdem zuversichtlich? Sind Sie bereit?"
"Wie ein Pfadfinder, Captain", murmelte Zakharov. "Eine 100 %ige Sicherheit
gibt es nicht, aber ich habe keine Lust, im All zu sterben. Meine Männer
sind zuversichtlich. Ja, wir sind bereit."
"Sehr gut. Ich werde die Crew in Alarmbereitschaft versetzen."
"Wie wäre es zuerst
mit Sonden, Captain?" meldete sich Lal vorsichtig
zu Wort. "Wir könnten doch die erste Gruppe auf den Planeten schicken,
um Bodenproben zu entnehmen."
"Ja, könnten wir, obwohl wir uns immer noch fast genauso schnell bewegen
wie die Sonden. Was hätten wir davon?" Er sah Pravin Lal in die Augen
und erkannte die Besorgnis im Gesicht seines Freundes.
Er ist nicht sicher, ob wir es schaffen. Das könnte unsere letzte Chance
sein, Sonden auf den Planeten zu schicken... Der Captain nickte. "Verstehe."
"Wir müssen, Captain", gab Zakharov offen zu. "Sollte es das Schiff
nicht schaffen, könnten wir wenigstens Aufzeichnungen hinterlassen.
Wichtige Daten für zukünftige Missionen."
"Ich weiß. Sie haben recht. Starten Sie die Sonden. Schnell.
Anschließend bereiten Sie die Zündung der Triebwerke vor."
Zakharov wandte sich seinem Sensorfeld zu und gab einige Befehle ein. "Ich
brauche Ihre Genehmigung, um die Startsequenz auszulösen, Captain",
sagte Zakharov und Garland wußte, daß der Russe es haßte,
wissenschaftliche Abläufe durch ihn bestätigen lassen zu müssen.
Garland gab einen Autorosierungscode ein. Zahlreiche rote Dioden schalteten
nun auf Gelb um. Die erste Gruppe Planetensonden war startbereit.
"Ich informiere Deirdre Skye. Sie will sicher dabeisein", sagte Garland.
"Ja", entgegnete Zakharov mit ätzender Stimme. "Sie soll miterleben,
wie die Verschmutzung ihrer unberührten Welt beginnt."
"Ihre Bedenken sind angebracht, wenn auch übertrieben", wies ihn Garland
zurecht.
"Ziemlich übertrieben. Finden Sie nicht auch, Direktor Morgan?" Zakharov
hatte seine Frage an Morgan gerichtet, der, die Eskorte hinter sich, immer
noch in der Ausgangsluke stand. Dieser lächelte und sagte.
"Unberührtes Gelände. Wir wissen um die Schönheit dieses Planeten,
weil wir die Metalle der Erde ausgebeutet, Tiere getötet und die Luft
mit Chemikalien verpestet haben. Möglicherweise ist der Vorwurf korrekt:
Wir haben unsere Welt vergewaltigt. Doch ohne den Prozeß der Wissenschaft
und die Industrie wüßten wir nicht einmal, daß dieser wunderbare
Planet existiert.
"Dort draußen gibt es Millionen von Welten. Einige möglicherweise
tausendmal schöner als die Welt, die vor uns liegt. Lassen wir unsere
Umweltschützer doch von unbefleckten Welten träumen, wenn dies
ihren Geist beflügelt. In unserem Fall lassen Sie uns die Welt, die
vor uns liegt ... erforschen und genießen. Es ist unmöglich,
Schönheit zu erkennen, ohne sie zu verändern."
"Ich bin sicher, Officer Skye würde das anders sehen", entgegnete Garland.
"Aber das ist im Moment nicht so wichtig."
"Captain", unterbrach Lal mit ungewöhnlich ernster Stimme.
"Sicherheitsdiagramm... das Treibhaus!"
Garland fragte rasch die Sicherheitskoordinaten D7 ab. In Kamera 117B blinkte
eine Warnleuchte. Fünf Gestalten pirschten sich an das Treibhaus heran.
"Luken schließen!" befahl der Captain.
Im Treibhaus hörte Deirdre die Alarmsirenen und das Zischen der sich
langsam schließenden Lukentür.
"Sie schließen die Luken!" rief sie, ließ die pneumatische Schere
fallen und sprang auf. "Schnell, rein!" Hastige Bewegungen wurden vom Donnern
der schweren Metalltüren unterbrochen, als diese sich schlossen.
Deirdre traf auf eine Gruppe von Menschen, die sich in einem Halbkreis um
die Eingangsluke versammelt hatte. Sylvia sah sie zuerst. Ihr schlanker
Körper war starr vor Angst.
"Sylvia, sind Sie OK? Sie müssen die Luken aus der Kommando
"
"In der Tat", entgegnete eine fremde kalte Stimme mit spanischem Akzent.
"Und ich hoffe, Sie wissen den Code, um die Luke wieder zu öffnen, Officer."
Dort, vor der gewaltigen Tür stand eine Frau. Sie trug den roten Raumanzug
eines Sicherheitsoffiziers. Allerdings war ein Schulterstück abgerissen
worden und entblößte nackte Haut. Die Frau war gedrungen und
hochaufgerichtet; Ihr stahlschwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten, was
die strengen Züge ihres makellosen aber mitleidlosen Gesichtes unterstrich.
Schwarze Augen fixierten Deirdre; die Fremde hatte eine Splitterpistole auf
sie gerichtet. Neben der Frau stand ein kleiner Mann mit kahlgeschorenem
Schädel. Auch sein Kampfanzug hatte eine zerrissene Schulterpartie und
auch er hielt eine Splitterpistole in der Hand. Selbst der zornige
Gesichtsausdruck und die erbarmungslose Mine waren gleich.
Sie waren also zu zweit, nicht mehr. Als sie sich näherten, konnte Deirdre
unter den zerrissenen Uniformen eine Tätowierung erkennen. Beim Anblick
der Tätowierung fuhr ihr erneut ein Schreck durch die Glieder. Ein nach
unten zeigender Pfeil in einem Sechseck, vielleicht mit einem Laserbohrer
tätowiert.
"Ich bin Colonel Santiago", sagte die Frau mit einem Lächeln. "Ich hoffe
für Sie, daß Sie wissen, wie diese Luke geöffnet wird."
Deirdre wich nicht aus, sondern beobachtete Santiago mit geweiteten Augen,
als diese sich in Bewegung setzte und wie ein Raubtier seiner Beute
näherte. Deirdre versuchte, das Gesicht der Frau zu lesen; sie bewegte
sich vorsichtig, doch ohne Furcht; keine Bewegung war unüberlegt. Vorsichtig
hob Deirdre ihre Hand, um Verbindung mit Garland aufzunehmen.
"Captain, hier Officer Skye. Ich habe hier zwei der Rebellen", bei den
nächsten Worten straffte sich Santiagos Körper, "im Treibhaus.
Eine von ihnen ist Santiago. Bitte um Anweisungen."
Santiago beobachtete sie und lächelte.
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