Reise nach Centauri: 16. Kapitel
 
Santiago und zwei Ihrer Lieutentants standen vor einer Kältekapsel über die Einsatzpläne ihrer Soldaten im Schiff gebeugt. Als sie eine verschlüsselte Meldung erhielt, ergriff sie einen spitzen Gegenstand und ritzte die Standorte in die halbtransparente obere Abdeckung der Kältekapsel. Das erstarrte Gesicht im Inneren der Kapsel, schien sie dabei nicht zu beachten.

"Wir spielen immer noch Katz und Maus mit den bewaffneten Einheiten des Schiffs", zischte sie. "Wir müssen die Kerle aushebeln, und ich frage mich, wo wir am besten ansetzen sollten. Trotz unserer Waffen und einer behelfsmäßigen Festung sind wir weit von unserem Ziel entfernt."

"Die Kommandobrücke?" fragte der schmächtige Mann zu ihrer Linken. Santiago warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Shen war zwar körperlich wenig eindrucksvoll, doch in seinen Adern schien Eis zu fließen; sie hatte noch nie erlebt, daß er Angst hatte.

Sie schüttelte den Kopf. "Zu schwierig. Sollte der Captain meiner Abgesandten den Zutritt zur Brücke erlauben, haben wir immerhin einen Fuß in der Tür. Wenn nicht, dürfen wir einzeln hinaufklettern und uns oben wie Pilze aufsammeln lassen. Bleibt nur ein Ablenkungsmanöver oder, sollte die Abgesandte scheitern, ein neues Primärziel."

"Wie sieht es mit den Kältekapseln aus", schlug der hochgewachsene Mann zu ihrer Rechten vor. Pierce hatte die Ärmel seiner Uniform hochgekrempelt. Seine verschränkten Unterarme waren übersät mit unzähligen winzigen Narben. "Dort finden wir jede Menge hilflose Geiseln", ergänzte er und klopfte mit dem Lauf seiner Splitterpistole auf die Kältekapsel vor ihm.

"Das ist unser letzter Ausweg; zugegeben kein schlechter, aber das kommt einem Ultimatum gleich. Für den Moment schlage ich vor hier zuzuschlagen." Sie deutete auf einen groben Umriß, der in die Kältekapsel geritzt war.

"Warum bleiben wir nicht einfach, wo wir sind?" fragte Shen. Seine eng zusammenliegenden Augen versuchten ihrem Blick standzuhalten.

"Es gibt ein altes Sprichwort der Samurai: 'Ich laufe, um zu kämpfen, ich laufe, um zu verteidigen.' Solange wir uns nicht bewegen, bieten wir unseren Gegnern ein leichtes Ziel. Laß sie getrost auf uns warten … der Captain auf seiner Brücke, Skye bei ihren Hydrokulturen, Zakharov in seinen geliebten Wartungsschächten. Es genügt, wenn unsere Gegner durchschaubar sind; wir sollten nicht denselben Fehler machen."

Aus dem Computer an ihrem Handgelenk ertönte ein Signalton.

"Unsere Abgesandte hat die Brücke erreicht. Na, dann sagen wir den Jungs mal guten Morgen. Shen, du positionierst dich mit der Hälfte der Männer an der Ausgangsluke. Der Rest kommt mit mir! Bewachen Sie Dr. Yang in seiner Zelle. Sofort ..." Sie drehte sich mit katzenartiger Geschmeidigkeit und Sicherheit um.

Mit präzisen Bewegungen schwärmten die Kämpfer aus.

In der Kommandozentrale wandte sich Zakharov an den Captain. "Captain, alle Systeme bereit für einen Triebwerkstest. Wir dürfen keine Zeit verlieren."

Der Captain erhob sich und ging auf Zakharov zu, der an seiner Wissenschaftskonsole über komplizierte Grafiken und Berechnungen gebeugt war. "Und das Schiff ist wirklich in Ordnung?"

"Zu 94 Prozent, Sir. Und bedenken Sie, daß ein einziges Triebwerk ausreicht, um die Struktur des Schiffes zu überprüfen."

"Trotzdem könnten wir bei diesem Versuch alle in die Luft fliegen."

"Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als daß ich genauso wenig vorhabe zu sterben, wie Sie. Wenn Sie absolute Gewißheit..."

Garland hob seine Hand und sah die Anspannung in Zakharovs Gesicht. "Test genehmigt. Geben Sie den Mannschaften die Standardwarnung."

"Captain." Eine Stimme, fremd und eindringlich, veranlaßte Garland, sich herumzudrehen.

Am Eingang zur Kommandozentrale stand eine schlanke Frau mit feurigen schwarzen Augen. Sie trug die Uniform der Sicherheitseinheiten, die an einer Schulter die darunter liegende nackte Haut entblößte. Die Hände der Frau waren auf den Rücken gefesselt. Hinter ihr stand ein großer hagerer Mann, ein Ingenieur aus Zakharovs Stab. Die Splitterpistole in seiner Hand war auf den Rücken der Frau gerichtet.

"Hier ist sie, Sir, ich konnte sie in Deck 3 überwältigen. Ich denke, sie wollte ohnehin zu Ihnen."

"Santiago schickt sie…" murmelte Garland und ließ die dunklen wilden Augen der Frau nicht aus den Augen.

  Persönliche Logbücher der Unity Corazon
Santiago

Stillstand ist der Tod aller Dinge. Es ist
Zeit, unsere Verhandlungen mit dem Captain
voranzutreiben.

Mir liegt eine Aufzeichnung eines seiner
Interviews auf der Erde vor. "Die Sicherheit
meiner Mannschaft ist mein oberstes Ziel",
sagte er damals. Bisher haben alle seine
Befehle diese Aussage untermauert. Diese
Vorhersehbarkeit ist seine größte Schwäche.