Reise nach Centauri: 15. Kapitel
 
Santiagos Abgesandte schlüpfte mit den Beinen in ihren widerstandsfähigen Druckanzug und zog ihn zur Hüfte hoch. Ihre Hände zitterten kaum spürbar. Mit eisernem Willen kämpfte sie gegen ihre Gefühle an und spannte die kräftigen Muskeln ihres Armes an, als könnte dies die Furcht aus ihren Gliedern vertreiben. Rasch schlüpfte sie vollständig in den Druckanzug.

Auf einem Regal in drei Metern Entfernung lag ein Atemhelm. Der kalte, graue Lauf der Splitterpistole klopfte gegen den Helm. Sie nahm den Helm, der aussah wie ein transparentes Ei, auf dessen einer Seite ein Gesicht skizziert war, öffnete ihn und zog ihn sich über den Kopf. Als sie das Visier geschlossen hatte, wurden die Vakuumschleusen des Helmes um ihren Hals aktiviert, und die Maske preßte sich enger an ihr Gesicht. Eine kurze Panik überkam sie, als sich der Kunststoff um ihren Kopf schloß und kühle, stark sauerstoffangereicherte Luft, in Mund und Nase strömte.

Sie blickte sich nach der Gestalt hinter ihr um, auch sie war mit einem Druckanzug bekleidet. Ihr Gegenüber beobachtete sie regungslos und richtete den Lauf einer Splitterpistole auf sie. Sie blickte zurück und zog sich zwei Handschuhe über die Hände, die an den Handgelenken luftdicht mit dem Druckanzug verbunden wurden. Ihr Begleiter bewegte sich erneut, diesmal deutete er in Richtung der Ausgangsluke. Hinter dieser Luke befand sich das Äußere Karussell des Schiffs, eine offene Gitterkonstruktion, die um die acht Kältedecks rotierte. Die Gravitation, die durch die entstehenden Zentripetalkräfte entstand, war deutlich höher als auf den Decks. Mit dem Karussell waren über zwei lange Arme die Kommandobrücke des Schiffs und der Notfall-Kommandobereich verbunden.

Nachdem die Abgesandte den Öffnungscode eingegeben hatte, sprang die Luke auf und gab den Blick auf den Sternenhimmel frei. Die Vibrationen des vorbeischwebenden Karussells waren selbst durch die Stiefel der Abgesandten spürbar. Sie hatte die Luke bewußt genau zu dem Zeitpunkt geöffnet, als der Hauptarm des Karussells den Einstieg passierte.

Als sie den Lauf der Splitterpistole erneut fordernd in ihrem Rücken spürte, betrat die Abgesandte das Karussell. Langsam tastete sie sich in Richtung des Fundaments des Hauptarmes vor. Als sie es beinahe erreicht hatte, war sie durch die Rotation an Deck 3 vorbei auch über Deck 4 hinaus getragen worden, dessen weiße Oberfläche eben hinter ihr verschwand.

Im Pfeiler des Hauptarmes befand sich ein schmaler Aufzug. Die Abgesandte spähte durch die enge Luke, die als Noteingang gedient hatte. In Notfällen konnte man über Metallsprossen die Kommandobrücke erreichen. Eine lange und gefährliche Kletterpartie, denn nur ein dünnes Rettungsseil verband den Kletternden mit dem Schiff. Sollte dieses Seil reißen, trieb man rettungslos im Weltall.

Sie wandte ihren Blick vom Notzugang ab und spähte erneut in den Aufzug. Aus den Augenwinkeln sah sie ihren Begleiter, der sie durch knappe Gesten aufforderte, den Aufzug zu betreten. Beide schlüpften in die enge Kabine und ihr Begleiter setzte den Aufzug in Richtung Kommandobrücke in Bewegung.

Sie blickte nach draußen, während sich der Aufzug langsam vom Schiff entfernte. Die stärker werdende Gravitation drückte sie fest auf den Boden des Fahrstuhls. Als sich der lange Arm bewegte, schien sich das Schiff unter ihr zu drehen, und sie konnte das zylindrische Raumschiff der Länge nach sehen. Im Herzen des Schiffes befanden sich die acht Kältedecks und die Landemodule, die sie auf die Oberfläche des Planeten befördern sollten.

Sie erkannte die riesigen grauen Treibstofftanks des Fusionsantriebes. An der Vorderseite des Schiffes befanden sich die Triebwerke, die die enorme Energie des Fusionsantriebs in Schub umwandelten. Das Schiff hatte sich vor dem Aufprall gedreht, um mit dem Fusionsantrieb abbremsen zu können. Nun schienen die Triebwerke in ihren massiven Kühlkörpern aus Bronze zu schlafen. Langsam löste sie ihren Blick von dem Schiff. Sie wußte zu wenig von der Wissenschaft, um erahnen zu können, wie es zu der Kollision hatte kommen können. Ihr reichte es, am Leben geblieben zu sein und vielleicht die Möglichkeit zu haben, die Mission ihrer Vorgesetzten auf unvorhergesehene Weise vollenden zu können.

Während dessen näherte sich der Aufzug dem oberen Ende des Armes. Irgendwo über ihnen, auf der Brücke, begann eine Warnleuchte zu blinken.

  Schiffs-Übermittlung, Verschlüsselte
Übertragung Santiago an Abgesandte

Fortfahren...