Reise nach Centauri: 11. Kapitel
 
"Commander Zakharov. Commander Zakharov! Antworten Sie." Garland lauschte, suchte die Stille der Kommunikationsverbindung nach irgendeinem Laut ab.

"Nichts, Captain", sagte Lal.

"Versuchen Sie, einen der Ingenieure zu erreichen. Den hier ..."

"Saki." Lal berührte eine leuchtende Anzeige auf dem Bildschirm, und die Verbindung wurde sofort hergestellt. "Lt. Saki, bitte kommen. Hier sprechen Commander Lal und Captain Garland aus dem Kommando-Modul."

Pause, zögern. Doch dann ..."Ja, Sir. Sirs."

"Wie lautet Ihr Befehl, Lieutenant? Welchen Auftrag hat Ihnen Commander Zakharov erteilt?"

"Er hat uns zum Waffendeck beordert, Sir. Ist dort alles rechtens?" Das letzte Wort ... 'rechtens' ... klang seltsam in Garlands Ohren, wie ein Wort aus einem Theaterstück des 19. Jahrhunderts ... so förmlich.

"Hat Ihnen Commander Zakharov etwas Genaueres über Ihren Auftrag gesagt?"

"Nein, Captain. Ist alles okay, Sir?"

"Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Ihren Commander erreichen, Lieutenant. Wir haben den Kontakt zu ihm verloren und machen uns Sorgen." Es war noch nicht mal eine Lüge, allerdings auch nicht ganz die Wahrheit, dachte Garland, als er die Verbindung abbrach.

"Zakharov versucht wohl, die Dinge selber in die Hand zu nehmen, aus Angst um die Sicherheit seiner Leute. Er möchte Waffen verteilen, und mit diesen Individuen hier an Bord kann ich ihm das auch nicht verdenken ..." Garland hielt inne, schaute hoch zum U.N.-Symbol an der Decke des Kommando-Moduls.

"Was haben Sie jetzt vor, Captain? Wir müssen das Schiff reparieren, und Zakharov hält sich nicht an seinen Auftrag."

Garland stieß einen Seufzer aus. "Das ist nicht ganz richtig. Die Sicherheit der Crew ist unsere größte Aufgabe. Ich kann dieses Problem jetzt nicht mit Zakharov diskutieren, wenn das Schiff noch repariert werden muß. Aber ich kann losgehen und ihn suchen."

"Moment", antwortete Lal leise und hastig, "zwei von seinen Ingenieuren haben die Vorkammer des Waffenlagers erreicht. Ich glaube, sie öffnen ..."

Paul Landon und Diana Preuss, Ingenieure unter Zakharovs Kommando, betätigten den Öffnungshebel und warteten, während sich die erste Sicherheitstür öffnete. Landon stand an einer Seite und spielte nervös mit den Muskeln, hielt einen schweren Erschütterungs-Hammer verkrampft in den Händen. Seine Handflächen waren heiß und schweißnaß, er schaute zu Diana, wie sie ruhig und eiskalt mit einem gefrorenen Lächeln im Gesicht dastand.

Ein schmaler Lichtstrahl kam durch die Tür und breitete sich aus, je weiter sie aufschwang. Landon fing Preuss' blick auf, und sie bewegten sich beide zur Seite, lauschten angestrengt im Schatten wartend. Nachdem sich die Türen vollständig geöffnet hatten, schauten sich die beiden an, unterhielten sich nur über ihre Blicke.

Vorsicht und Diskretion, hatte Zakharov ihnen eingeimpft und sie zu den Koordinaten an der anderen Seite dieses Vorzimmers gelotst, das sie geöffnet hatten. Vorsicht - weswegen?

Sie warteten lange Augenblicke, wagten kaum zu atmen. Landons Sinne waren angespannt ... er glaubte, die Ruhe in den Tiefen des Schiffes rumoren zu hören, und er fühlte den Puls in seinen Ohren. Die Vorkammer lag in Dunkelheit gehüllt vor ihnen. Landon griff an sein Handgelenk und zeigte nach innen ...

Preuss bewegte sich genau andersherum. Sie zeigte auf den Boden.

Ein schwacher Schatten, der aus der Vorkammer fiel, bewegte sich leicht, so, als würde sich irgendwas zwischen vielen verschiedenen Lichtquellen bewegen. Ein kleiner Seufzer entfuhr Landon.

Hinter ihnen waren Schritte zu hören, und ein weiterer rotgekleideter Ingenieur betrat den Gang, seine Schritte auf dem metallenen Boden hallten durch das Schiff. Landon drehte sich um ... es war Ritzka, ein weiterer Ingenieur mit Kampfausbildung, der früh eintraf. Zufall?

Landon begann, ihn mit Gesten zu warnen, aber Ritzka hatte schon verstanden. Für den Bruchteil einer Sekunde verharrte er, wie angewurzelt, dann warf er sich zur Seite.

Ein kleines Krachen war zu hören und ein harter metallischer Aufschlag. Landon schaute entsetzt in den Gang, als er Panik in Ritzkas Augen sah und dieser blitzschnell in den Schatten des Gangs in Deckung robbte. Dieses Krachen ...

Da. Landon konnte es genau sehen ... ein kleines Loch, so, als wäre das Metall der Wand mit einem glühenden Stück Kohle geschmolzen worden, ungefähr drei Fuß von der Stelle entfernt, an der Ritzka gestanden hatte. Eine Splitterpistole, die einzelne Schüsse abfeuerte, anstatt eine Salve; die Schußstärke war nicht sehr hoch eingestellt, so daß das Metall nicht durchlöchert wurde.

Landon zog sich weiter zurück, sein Atem ging ruhig und flach. Seine Finger tasteten nach dem Ein-Schalter des Erschütterungs-Hammers, aber er aktivierte ihn noch nicht. Er hörte das Rascheln von Kleidung und dann ein leises Klicken auf einem Sensorfeld aus der Vorkammer.

Seine Augen schauten schnell hinüber zu Preuss, und er sah das kurze Nicken. Seine Muskeln, schmerzend vom angespannten Warten, schleuderten ihn nach vorne, als er in die Vorkammer stürmte. Helle Lichter brannten für einen kurzen Moment in seinen Augen, und er erhaschte einen schnellen Blick auf den schmalen, zylindrischen Raum mit den roten Mustern an den Wänden und weiteren versiegelten Türen, an dessen Seite ein kleiner aber muskulöser Mann in einer roten Sicherheitsunifom an der Wand kniete und etwas in seine Schnellverbindung eingab.

Landon stieß den Atem aus und fühlte, wie der Erschütterungs-Hammer in seinen Händen zum Leben erwachte. Der Wächter rollte sich schnell ab, und eine kleine Splitterpistole erschien in seinen Händen. Er bewegte seinen Arm so, als ob er nachladen würde, aber die Pistole war immer noch auf Impuls-Modus gestellt, und so konnte Landon das pock, pock, pock der einschlagenden Einzelschüsse im Metall hören.

Er machte einen Satz nach vorne, verlor den Boden unter den Füßen und spürte, wie der Hammer auf den Boden donnerte und eine nervtötende Erschütterung durch seine Hände und Arme jagte.

Jetzt überschlugen sich die Ereignisse: Er konnte sehen, wie Preuss katzengleich in den Raum sprang, und dann hörte er zwei weitere Einschläge und einen dumpfen Aufschlag. Preuss fiel schnell und ungebremst mit dem Gesicht zuerst auf den Boden, so, als würde sie gefällt. Landon konnte den Aufprall deutlich hören, als er wieder auf die Füße kam und der Wächter sich wegrollte.

Stille - einen Herzschlag lang, der kleine Mann stellte etwas an seiner Waffe um.

Nein.

Landon stolperte vorwärts, fühlte wie die Übelkeit in ihm aufstieg, roch den Schweiß der Verzweiflung, als er versuchte, mit gesenktem Kopf vorwärts zu kommen. Er hörte Preuss' Schrei, der plötzlich abriß, dann ein Summen und plötzlich war der Raum mit einer schwarzen Wolke gefüllt, und er sah wie ihr Körper erfaßt und gegen die Wand geschleudert wurde.

Er fiel auf die Knie, schwang den Erschütterungs-Hammer und fühlte, wie der Aufschlag seine Arme und Knochen erfaßte, als er mit Wucht den kleinen Mann an einer Kopfhälfte traf. Landon hörte ein fürchterliches Schnappen, und schaute weg, spürte, wie sein rechtes Bein begann, wie Feuer zu brennen. Sein Mund öffnete sich, seine Muskeln verloren jeden Halt, er sah das Blut an den Wänden, sein Blut, aus einem Bein, das irgendwie nicht mehr zu ihm gehörte ...

Blut klebte an den Wänden der Unity. Es wurde dunkel, und Landon fiel ...

  Logbuch des Schiffs
Paul Landon, Ingenieur

"Waffen sind Handwerkszeuge", schrieb einst
Commander Zakharov. "Ihre Funktion ist
gewalttätig; wenn sie von Technikern und nicht
von Kriegern eingesetzt werden, können sie
ihren eigentlichen Nutzen erfüllen: Das
Unnütze auslöschen, damit es Platz für das
Funktionale macht.

"Und, wie jedes Werkzeug, können sie dazu
beitragen, daß die Menschheit das
Unvermeidliche schneller erledigt."