Die Luke der Kältekapsel öffnete sich
mit einem Zischen, und Sheng-ji Yang stieg hinaus in die Dunkelheit und die
unmittelbare Gefahr. Von den Schatten, die seine Kapsel umzingelten, wurden
Pistolen auf ihn gerichtet, die tödlichen Mündungen direkt vor
ihm.
Sheng-ji blieb ruhig stehen, stemmte seine Hände gegen die
Kältekapsel, weil ihn Wellen der Nachwirkungen seines langen Schlafs
zu überrollen drohten. Jetzt nur keine Schwäche zeigen ... seine
Augen versuchten, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und die Positionen
jedes einzelnen Feindes auszumachen. Er konnte keine Gesichter erkennen ...
die Hauptlichter dieses Decks schienen ausgefallen oder ausgeschaltet zu
sein. Er konnte lediglich die anderen Kältekammern in ihrem sanften,
bläulichen Licht sehen, wie phosphorisierende Blumen in einem Feld der
Dunkelheit.
Er zwang sich, seine Muskeln zu entspannen, mit eisernem Willen. Seine Augen
wanderten nur einmal kurz hinüber zum schwarzen, verschlossenen
Metallkästchen auf dem Regal unten an seiner Kältekapsel. Er
würde seine Absicht nicht verraten, indem er noch einmal dorthin schauen
würde, aber in seinem Kopf rekonstruierte er die genaue Position des
Kastens auf dem Regal, seine exakte Entfernung vom Boden und die Position
des sanft leuchtenden, digitalen Druckverschlusses. In diesem Kästchen
lag sein persönliches Waffenarsenal verborgen: seine Splitterpistole,
ein Lähmstab und organische Fesseln.
"Weg von der Kapsel. Folgen Sie dem Pfad, den wir Ihnen vorgegeben haben",
hörte er eine harsche Stimme aus einer Ansammlung von Schatten nur zwei
Kapseln entfernt. Er schaute nach unten und sah die schimmernden blauen Punkte,
die von der Kapsel wegführten. Warum?
"Auf wessen Befehl?" fragte er mit rauher Stimme ... der Kampf war
eröffnet.
"Antwortet ihm nicht", kam eine leise, aber scharfe Stimme von einer Position,
die erstaunlich viel näher war, als die vorige, offenbar nur eine
Armlänge entfernt. Ein kurzer Schauder durchfuhr ihn ... daß sich
diese Person so nahe an ihn heranwagte. Er beobachtete die Schatten genau
und konnte eine Silhouette ausmachen. Dieser Schatten, diese Person ...
sprungbereit abwartend in katzenhafter Haltung ... Wer war das?
"Antwortet diesem Mann nicht", fuhr die Stimme fort. "Ihr dürft nicht
mit ihm sprechen. Und, Doktor Yang, sprechen Sie auch nicht. Folgen Sie einfach
nur dem Weg, den wir für sie angelegt haben."
"Soll ich ..."
Plötzlich setzte sich die Gestalt in Bewegung, und in nur Bruchteilen
von Sekunden wurde Yang von einem Peitschenhieb getroffen. Er fühlte
Schmerzen, wie rotglühende Drähte in seinem Nacken, und fiel auf
die Knie, seine Schwäche verfluchend, die nach dem Schlaf seine Reflexe
lähmte.
Lähmpeitsche, dachte ein Teil von ihm ganz ruhig. Sie waren im Waffenlager.
Dann lächelte er, als sich der Schmerz verstärkte ... er
begrüßte ihn, öffnete sich ihm, ließ ihn auf seinen
Nerven tanzen und in die Wirbelsäule übergehen. Schmerz, wecke
mich ...
"Wir wollen Ihnen nicht weh tun, aber ich kenne Ihre besonderen
Fähigkeiten. Sie müssen meinen Anweisungen folgen. Sprechen Sie
nicht, krabbeln Sie entlang der blauen Linie."
Er schaute auf die blauen Punkte am Boden, er fühlte sich immer noch
schwummerig. Seine Augen blickten kurz zur Raumecke, eine dunkle Zone, und
er erahnte eine gekrümmte, metallene Schotte. In dieser Dunkelheit konnte
er sich das silberne Auge der Sicherheitskamera vorstellen, das auf ihn
herabblickte, ihn jedoch in der entfernten, dunklen Ecke nicht mehr ausmachen
konnte, in die die blauen Punkte führten.
Er fühlte, wie sich die Muskeln in seinem Rücken anspannten,
fühlte den kühlen Metallboden unter seinen Händen.
Abrupt stand er auf. Elektrisierte Spannung durchzuckte den Raum, als sich
die Pistolen wieder auf ihn richteten. Er konnte die Unsicherheit fast
körperlich wahrnehmen ... sollen wir auf ihn feuern? ... und es hing
dieses bleierne Gefühl der Angst in der Luft. Er machte einen langsamen
Schritt entlang der blauen Punkte, schlurfend wie vor Müdigkeit, und
dann schleuderte ihn jeder seiner Muskeln zurück in Richtung seiner
Kältekapsel, und ein Schrei aus den Tiefen seiner Lungen zerschnitt
die dunkle Stille. Mit einer Rolle rückwärts erreichte er die
Metallbox, nahm sie in die Hände ... keine Bewegung zuviel, jeder Handgriff
saß. Er hatte das Geschehen bereits vor seinem inneren Auge ablaufen
lassen, und dann ...
... gab es kein zurück mehr. Er richtete sich auf und machte einen Satz
zu seiner Kältekapsel, wobei ihn das blaue Licht nur für einen
kurzen Augenblick anstrahlte. Eine Salve aus Pistolenschüssen feuerte
in die Dunkelheit, flog ihm um die Ohren, zerstörte das Glas unter seinen
Füßen, und als er sich bewegte, fühlte er erneut den stechenden
Schmerz der Lähm-Peitsche auf seinem Rücken.
Eine Woge des Schwindels erfaßte ihn, aber anstatt ihn zu bekämpfen
überließ er sich ihr, ging zu Boden, ließ seinen Körper
wie betrunken in den Raum hinter seiner Kältekapsel taumeln. Er spürte
die Verwirrung im Raum, als sich ihm die Schatten näherten mit gezischten
Befehlen. Keine Schreie, kein weiteres Feuern ... fast die perfekte Stille,
dachte er. Erstaunliche Disziplin, als wenn ...
Egal. Ihm blieben nur wenige Augenblicke, und das war alles, was er brauchte.
Im Schutze der Dunkelheit gab er den Code zum Öffnen des Kästchens
in das Schloß ein. Er knetete seine Hände, tödliche Waffen
in ihrer Bestimmung, Schlangen, die auf ihr Gift warten.
Der Kasten öffnete sich nicht. Blieb verschlossen, ein Klotz totes,
kaltes Metall in seinen Händen. Schnell drehte er ihn um, versuchte,
die Buchstaben zu erkennen, die auf den Deckel gedruckt waren: A. Shaw. Sie
hatten die Kästen ausgetauscht.
Ein Schatten tauchte über ihm auf, und er nahm vertraute Gesichtszüge,
bläulich schimmernd, wahr.
"Du ..." sagte er, versuchte, Zeit zu gewinnen.
Ein schwarzer, metallener Schatten traf ihn, und seine Gedanken explodierten
in einem blauen Feuerwerk am dunklen, nächtlichen Himmel.
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