Reise nach Centauri: 4. Kapitel
 
"Captain. Captain, hier ist Pravin Lal. Bitte bestätigen Sie das Signal. Over."

Stille.

"Empfange Signal, Mr. Lal. Ich erwarte Sie im Kommando-Modul. Sieht so aus, als würde jede Menge Arbeit auf uns warten."

Pravin lächelte, als er die Stimme des Captains hörte, die deutlich aus der Kommunikationseinheit an seinem Uniformkragen zu vernehmen war. Er drehte den Kopf so, daß er antworten konnte. "Ja, John. Ich bin draußen auf Deck 5, bin gleich da."

Er beschleunigte seine Schritte in Erwartung der abgestandenen Wärme der Kommandozentrale, wenn er das dunkle Schiff durchquert hatte, und der vor ihm liegenden wichtigen Aufgabe, zusammen mit seinem Captain herauszufinden, was während ihrer Reise schiefgelaufen war. Vielleicht ein kleiner Asteroid oder Weltraum-Schutt ... Er dachte an die Wahrscheinlichkeitsberechnung des Flug-Computers, der ein Verhältnis von 470 zu 1 für einen solchen Vorfall ermittelt hatte, aber vielleicht sollte Ihnen dieses Glück nicht zuteil werden.

Vielleicht war es aber auch ein Karma, das die Menschen von ihrem verseuchten Heimatplanten aus in die Weiten des Weltraums verfolgte.

Pravin hielt vor einer weiteren Luke und drückte den Öffnungshebel. Als sie nachgab, schaute er sich vorsichtig um. Das Schiff wirkte hohl und riesig um ihn herum, eine bedrohliche Metallkonstruktion, deren Rohstoff der Erde entrissen und in den Himmel gejagt worden war. Die Luke öffnete sich, er kletterte in einen kleinen Aufzug und drückte den Knopf. Der Aufzug begann unter ihm zu surren und transportierte ihn zum Kommando-Modul an der Schiffsperipherie. Er merkte, wie die Gravitation zunahm, während der Aufzug zur Außenseite des Schiffs zusteuerte.

Die weichen Umrisse der Kältedecks erstreckten sich unter ihm, und er studierte ihren Anblick wehmütig. Schon wieder allein. Er hoffte, daß sich seine Stimmung bessern würde, wenn erstmal die Folgen des 40jährigen Schlafes ausgestanden waren. Eine Sitzung in einer Gyrokapsel des Schiffs würde schon dafür sorgen, daß die Giftstoffe verbrannt wurden, aber dazu hatte er jetzt keine Zeit.

Der Aufzug stoppte, und er öffnete die Austiegsluke. Endlich kam er an der roten Luke des Kommando-Moduls an. Ungewöhnlich ... der Captain hat sie wieder geschlossen, so daß Pravin seinen Zugangscode eingeben mußte, den er sich zu Beginn der Reise hatte merken müssen. Die rote Luke schwang auf.

"Officer Lal."

Captain Garland stand an der anderen Seite des Kommando-Moduls, umgeben von Bildschirmen, Sensorfeldern, die zum größten Teil ausgeschaltet und so kalt waren wie der Weltraum draußen. Der Captain sah müde aus, hager, seine Uniform hing nur noch lose an ihm, aber er hielt sich aufrecht, als Parvin den Raum betrat. Eine rote Prozeduren-Checkliste ruhte in der Ecke eines metallenen Tisches, fast in der Mitte des Kommando-Moduls.

"Captain. Schön, Sie wiederzusehen, Sir."

"Es ist, als wäre es gestern gewesen, Pravin." Der Captain kam zu ihm herüber, und sie schüttelten sich die Hände. "Sie und ich sind diejenigen, die am meisten an diese Misson glauben. Jetzt zähle ich auf Ihre Hilfe, sie zu retten."

Bevor Pravin noch antworten konnte, öffnete sich eine weitere der drei roten Luken. Eine schlanke Gestalt in der grünen Uniform der Schiffs-Wissenschaftler schob sich in die Kommandozentrale und strich sich das dunkle Haar aus dem Gesicht.

"Deirdre Skye meldet sich zum Dienst", sagte sie und schaute den Captain an.

Captain Garland schaute zu, wie Pravin Lal eine Konsole öffnete und eine Reihe Aktivierungstasten berührte. An den Wänden um die Kommandozentrale herum gingen die schwarzen Monitore flackernd an, und die schrägen Sensorfelder begannen zu summen. Die Luft knisterte vor Energie, als alles nach 40 Jahren Tiefschlaf wieder anlief und die synthetischen Gehirne wieder zu arbeiten begannen.

Pravin saß aufrecht und knetete seine Finger, während er darauf wartete, daß die Steuerungsleiste vor ihm durch den Startup-Vorgang durchgeschaltet hatte. So lange es keine medizinischen Notfälle auf dem Schiff geben würde, war er für die Überwachung dieser Konsole zuständig, mit der er den Datenbanken des Schiffes Informationen entlocken würde, so wie er aus einem widerspenstigen Patienten sonst eine Diagnose herauslockte.

Garland schaute sich in der Kommandozentrale um, während die Monitore hochfuhren. Das Modul war wie ein Torus geformt mit ca. 10 Metern Durchmesser und umgeben von großen, in die Wand eingelassenen Monitoren oberhalb der schrägen Konsolen. Die Oberfläche dieser Konsolen bildeten weiche Sensorfelder, die sowohl Eingaben als auch Darstellung von Informationen zuließen und sich selber rekonfigurierten, entsprechend der Kommandozeile des jeweiligen Benutzers. Diese Leisten waren mit riesigen Datenbanken verbunden, optische Speichersysteme, die in isolierten Containern versiegelt im Zentrum des Schiffs untergebracht waren.

Pravin begann zu arbeiten, seine Finger tanzten über die Konsole vor ihm und seine Augen wurden schmal, als er sich immer mehr in die Maschine "versenkte". Garland schaute sich wieder um.

"Mister Lal", sagte er, und Pravin schaute auf. Garland bewegte sich auf eine andere Konsole an der gegenüberliegenden Seite des Moduls zu. Schwarz und kalt wie der Weltraum.

"Hier auch, Captain", hörte man Deirdres singende Stimme mit dem leicht schottischen Akzent. Eine weitere Konsole war ausgefallen. Ihre Stimme blieb ruhig, aber Garland konnte ihr die Anspannung im Rücken ansehen. Lal ging hinüber zur ersten defekten Konsole.

"Auf den ersten Blick nichts Schlimmes, Captain. Wir haben Schaden genommen, und die Dauer der Reise wird ebenfalls ihren Beitrag geleistet haben."

"Sehr gut", antwortete Garland. "Lassen Sie uns in der Zwischenzeit diese Konsolen vergessen und lieber rausfinden, womit wir's hier zu tun haben. Pravin, Sie wissen, wonach wir suchen: Schadensberichte, so schnell es geht, um zu sehen, wie sehr die Mission in Gefahr ist. Deirdre, Sie überwachen die Wissenschaftskonsole und stellen den Status der Besatzung fest. Wie viele leben noch, wie viele sind wach, wie viele sind tot."

Lal nickte und nahm Platz, um sich um die relevanten Daten zu kümmern. Ein glitzerndes Datenfeld erschien vor ihm auf dem Bildschirm, und er durchsuchte es nach den Schadensberichten.

"Captain, den ersten Berichten zufolge gibt es schwere Schäden an den Hydrokultur- Modulen 2 und 3 sowie schwere Strukturschäden in der Nähe der Schotten, die bis durch die Antriebsabschirmung hindurchreichen. Es ist erstaunlich, daß der Schub abgeschaltet wurde, ohne das Schiff in Stücke zu reißen." "Module 2 und 3, bleibt nur noch ein funktionsfähiges Modul. Das plus die Nährpasten im Schiffslager können wieviel Besatzungsmitglieder am Leben halten? Ein Drittel? Die Hälfte?"

"Wenn alle wach sind, würde ich auch sagen die Hälfte. Aber es hängt auch davon ab, wieviel wir noch von der Reise vor uns haben."

"Und wieviel der Besatzung überlebt hat", sagte Deirdre. "Ich erhalte überhaupt keine Signale von Kältedeck 7."

"Hinter den zertrümmerten Schotten", murmelte Lal. "Tot, vermutlich. Alle."

  Liste der Todesopfer
(Kein Lebenszeichen in der Kältekammer)

Takala T
Vence H
Miller A
Stobie T
Luelmo F
Morin S
Lindahl P
Pettersson D
Landon K
Mannetje C
Coble R

[fortgesetzt Medizinisches Logbuch 57562A-7B7]